Wir und die anderen

 

Ein Text für die persönliche Reflektion. Nachdenken ausdrücklich erwünscht!

Während eine aktuelle Diskussion in der “BO-Bewegung” (bedürfnisorientiert) sich stark um Nationalismus und Rassismus dreht (sehr wichtig!) zeigt sich im Umgang damit ein für mich genauso gefährliches destruktives Phänomen.

Der Ethnozentrismus (bitte nicht von den Fachbegriffen entmutigen lassen)

Lenka Svejda-Hirsch beschreibt die Dynamik als “die Mutter des Rassismus”. (1)

Salopp formuliert könnte man sagen, es ist die allgemeinere Kategorie des Rassismus. 

Ethnozentrismus ist jene Weltanschauung, nach der die eigene Gruppe, ihre Gebräuche und Lebensweisen im Mittelpunkt stehen. Die Eigengruppe wird dabei idealisiert, während andere Gruppen mehr oder weniger aggressiv abgewertet oder bekämpft werden. (2) 

Ist euch das in letzter Zeit schon einmal begegnet?

Das Phänomen ist genauso alt, wie die Menschheit selbst. Und gerade jetzt ist es besonders präsent.

Wir finden es überall dort, “wo ein Wir-Bewusstsein entsteht und eine klare Abgrenzung zu Andersartigen gezogen wird”. (1)

“Das ethnozentrische Individuum kann sich nie mit der Menschheit als ganzem identifizieren: 

Abgrenzungen und Ausgrenzungen prägen die persönliche Lebenswelt. 

Es bewegt sich immer zwischen wahrgenommenen Begrenzungen” (ebd.)

Besonders die westliche Welt wird davon bestimmt. Es war und ist die treibende Kraft hinter Missionierung, Kolonialisierung, und Rassismus. 

Und sie trägt zur aktuellen Gesellschaftsspaltung bei.

Die Ab- und Ausgrenzung verstärkt sich dabei, umso größer die gefühlte Bedrohung durch die Fremdgruppe ist. Dabei muss “die Fremdgruppe” im Gegensatz zum Rassismus gar keiner anderen Ethnie o. ä. zugehören. Anders denkend und anders lebend reicht aus, um sich bedroht zu fühlen, auszugrenzen und abzuwerten.

Das sehen wir an jeder Ecke. In allen sozialen Schichten und Bildungsgraden. Und es führt in keine gute Richtung.

Sei es Impfen, Betreuung, Erziehung oder Rollenverteilung in der Familie.

Sich von jedem und allem der*die anders denkt und handelt abzuwenden, zu ignorieren und zu diffamieren rüttelt am gesellschaftlichen Zusammenhalt. Insbesondere in einer pluralistischen Gesellschaft (und das wollen wir doch sein?). Wenn sich jede*r in seine*ihre Gruppenblase zurückzieht und abschottet, wandern wir auf einem gefährlichen Pfad.

Wie könnte es anders aussehen? 

“Eine nicht ethnozentrisch veranlagte Person kann Gruppen kritisieren, ohne sie auszugrenzen oder sich von ihnen aufgrund eines empfundenen Bedrohungspotentials abspalten zu müssen.“ (ebd.)

Das kann ein Weg sein. Und genau dieser Umgang fehlt mir. Nicht, dass ich mich davon ausnehme. Ich hadere damit, wie alle anderen. Aber es ist mir ein Bedürfnis diese Dynamik zu reflektieren und einen anderen Umgang anzustreben.

Es klingt aber auch nach einer gewaltigen Herausforderung …

Anderer Meinung sein, Anders sein, Anders denken muss und darf nicht in Ausgrenzung und Abwertung münden. Aber wir müssen etwas dafür tun.

Natürlich habe ich auch nicht DIE Antwort, wie ein konstruktiver Umgang auszusehen hat. Aber wir können uns stets mit dem nächsten oder in diesem Falle mit dem ersten Schritt auseinandersetzen.

Nieke (3) beschreibt in seinem Konzept der interkulturellen Bildung zehn Schritte zum “aufgeklärten Ethnozentrismus”. An dessen Anfang steht das Bewusstsein über die eigene unvermeidliche ethnozentrische Sichtweise steht. 

Ein Bewusstsein darüber, dass wir selbst und alle anderen in unsere eigene Denk- und Wertegewohnheiten verstrickt sind. 

Die Folge dieser Einsicht ist auch, dass wir zugeben müssen, dass unsere Positionen und Perspektiven nicht unbedingt die einzig richtigen sein müssen.

 

Quellen:

(1) Svejda-Hirsch, L. (2006). Ethnozentrismus – die Mutter des Rassismus. https://www.dtppp.com/pdf/SM-Ethnozentrismus%20Svejda2-06.pdf

(2) Sumner, W. G. (1906) Folkways. A Study of the sociological importance of usages, manners, customs, mores, and morals. Boston. Ginn.

(3) Nieke, W. (2008). Interkulturelle Erziehung und Bildung: Wertorientierungen im Alltag. Wiesbaden: Springer VS.


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Immer wieder bin ich erschrocken davon, wie Eltern sich untereinander begegnen, insbesondere in den sozialen Medien. Das gilt auch Themenübergreifend. Sei es beim Impfen, Fremdbetreuung, Stillen, Zucker oder Medien. Dabei ist es auch völlig egal, ob man dafür oder dagegen ist. Die “Feindseligkeit” ist auf beiden Seiten ausgeprägt.